Der Einfluss des Systems
Eine wahre Geschichte von und über Boris Messing, die eindrucksvoll den unbewußten aber dennoch starken Einfluss des Systems zeigt.
Quelle: taz am Wochenende 4./5.01.2020
„Wie ich zufällig erfuhr, dass mein Opa das KZ Sobibór überlebte, ich so meinen Vater traf und ich endlich meine Wut verstand.“
Hier die Kurzfassung, bestehend aus zusammengestellten Auszügen:
„Als Baby hatte ich nächtelang geschrien, so lange, bis ich blau anlief. Weil ich so heftig schrie und zitterte fuhr meine Mutter häufig mit mir in die Kinderklinik, aber sie fanden nichts. Sie untersuchten mich auf Spastik und Epilepsie, später auch auf ADHS, aber nie fanden sie auch nur die geringste Kleinigkeit. Ich war gesund. ...
Meine Mutter konnte mir nicht viel über meinen Vater erzählen. Er sei wild, Veganer und gegen Drogen gewesen. Das war so ziemlich alles. Meine Kindheit verbrachte ich viele Jahre bei meinen Großeltern.
Schon mit 11, 12 Jahren war ich für 2 Jahre in Therapie, weil ich mich für den Bruder Jesu gehalten und intensiv mit dem Tod auseinandergesetzt hatte. Mein Leben war aus den Fugen geraten, Partys, Drogen, Sinnkrisen, Ängste, die ich nicht begriff, und über allem die panische Sorge, die Kurve nicht zu kriegen. ...
2001 schon hatte meine Mutter an das Generalkonsulat in Los Angeles geschrieben mit der Bitte der Preisgabe des Wohnorts von Leonard Sabra Blatt, notariell anerkannter Vater von Boris Messing, 18 Jahre alt. Meine Mutter kannte weder den Vornamen meines Großvaters, noch wusste sie etwas über die Umstände, wie er in die USA gekommen war. ...
Mir kam es nicht in den Sinn, dass mein Opa ein Holocaustüberlebender sein könnte.
2009, da ich meinem Opa nun per Zufall im Spiegel [Anm. Zeitschrift Der Spiegel] entdeckt hatte, schien es zum ersten Mal einen echten Anhaltspunkt zu geben. … und langsam drang es auch in mein Bewusstsein, dass ich die ganze Zeit nicht nur nach meinem Vater, sondern auch nach dem Rest meiner Familie und damit dem Jüdischen in mir gesucht hatte.
Lange Zeit war ich allein mit meinem Dämon. Als ich meinen Opa durch das Spiegel-Interview und dadurch meinen Vater fand, ging mir ein Licht auf. Toms [Anm. Name des Opas] Trauma hat sich in meinem Vater fortgepflanzt. Uns drei verbindet diese tiefsitzende Wut, die uns antreibt und verzehrt. Aber anders als mein Vater habe ich sie erkannt und mich ihr gestellt. Das Entscheidende ist nicht, dass sie da ist, sondern wie man mit ihr umgeht.“
Hier zum ganzen Artikel aus der taz.
Dazu ein Zitat von Dr. med. Hickey:
"Krankheiten, Symptome und andere Probleme wie sie in Partnerschaften, mit Kindern, im Kindergarten, in Schule und Beruf etc. vorkommen, können Ausdruck unbewusster, ungelöster schicksalhafter Bindungen im Familiensystem sein. Erste Hinweise darauf sind an typischen Formulierungen und nonverbalen Zeichen im Gespräch mit dem Patienten oder dessen Eltern zu erkennen. Weiteren Aufschluss und erste Lösungsansätze bringt die Erstellung und familienbiographische Analyse des Genogramms.“
Natürlich können Sie bei Krankheiten, Symptomen und anderen Problemen zum Arzt, zum Psychologen, zum Eheberater gehen, sollen es sogar, jedoch lohnt es sich, mal einen anderen Blick auf die Probleme zu wagen, insbesondere dann, wenn die Beschwerden trotz aller Bemühungen nicht weichen wollen:
- Was sind die Ursachen?
- Auf was will die Krankheit / das Geschehen aufmerksam machen?
- Gibt es etwas, das nicht ans Licht kommen darf?
Und sie können sich die Frage stellen, ob es bei Krankheiten noch andere Wege zur Gesundung gibt oder nur Medikamente, Operationen, Chemo, Bestrahlung, langjährige Psychotherapie oder Flucht in extreme Religiosität?